Soziokultur trifft Stadtentwicklung – viel los in der Kulturschlachterei
In der Kulturschlachterei in Rendsburg geht am Ende des Konzerts noch ganz klassisch ein Hut herum. Es gibt keine Einlasskontrolle, keine Reservierungen. Getränke kosten zwischen einem und drei Euro. Die ersten Veranstaltungen verbrachte das Publikum noch auf ausrangierten Schulhockern und Holzbänken, die aus der Inneneinrichtung des Vorgängerladens recyelt wurden. Mittlerweile komplettieren bunte Sofaboxen und gepolsterte Stühle den Zuschauerraum. Die können bei Bedarf beiseite gerollt oder gestapelt werden, wenn einmal 100 Menschen in dem schmalen Raum Platz finden sollen. Meist geht es familiärer zu. Das schätzen auch die Künstler*innen.
„Hier gibt es nicht das große Rampenlicht, dafür ein sehr freundliches Publikum. Und Pizza“, erzählt Ur-Rendsburger Stephan.
Gemeinsam mit Alex und Johannes – den Zugezogenen – hat er die Kulturschlachterei und den Verein Wilde Bildung ins Leben gerufen hat. Dass hier in der Nienstadtstraße 6 einmal wirklich Frikadellen statt Fritz-Cola über die Theke gingen, davon zeugen heute nur noch der Name, die weiß-gelb gefliesten Wände und die breite, bodentiefe Fensterfront, die nicht so ganz zum Fachwerkstil im oberen Teil des Gebäudes passen will.
Miete, Energiekosten und die Pizza vor dem Auftritt stemmten die Drei über Jahre hinweg aus ihren privaten Ressourcen. Wichtig war und ist ihnen, dass alle es sich leisten können, hier eine Lesung, ein Konzert oder auch das Kindertheater des Monats zu besuchen.
„In Rendsburg fanden wir einfach nicht das Kulturangebot, das uns auch selbst anspricht. Also haben wir es selbst gemacht“, erinnert sich Alex.
Ihm fehlten vor allem Kunst- und Kreativräume, weshalb die Kulturschlachterei mit rollbaren Tischen, reichlich Material für Workshops und zahlreichen Wandbildern ganz unterschiedlicher Stile ausgestattet ist. Zwei Jahre lang gehörte ein weiteres, von Leerstand betroffenes Ladengeschäft dazu. In der Galerie 42 konnten sich für jeweils drei Wochen Künstler:innen, Kunsthandwerker:innen, Initiativen und Kultur-Kollektive einmieten und die Fläche kostenfrei nutzen.
Aus Sülze wird ein Projekt
Das Projekt reiht sich ein in zahlreiche Bemühungen des Vereins, die Rendsburger Innenstadt zu beleben. Von Plakataktionen über Bauzaunkunst bis hin zum After-Work-Picknick auf der Straße vor der Kulturschlachterei und der Idee eine Bürgergenossenschaft zu gründen. Alex, Stephan und Johannes gehen die Pläne nicht aus, um den Menschen in ihrer Stadt Möglichkeiten zu bieten, sich zu begegnen, auszutauschen gemeinsam kreativ zu sein. In einer Messenger-Gruppe mit dem passenden Namen „Sülze“ landen neue Ideen und meistens kommt eine neue Aktion dabei heraus.
„Und doch haben wir uns jedes Jahr wieder gefragt, ob wir weitermachen“, erzählt Stephan.
Corona habe natürlich auch sie hart getroffen. Und obwohl sie sich schon gut auskennen mit Projekten und Fördermitteln – die monatlichen Fixkosten waren mit den Einnahmen aus Getränkeverkäufen nicht zu stemmen ohne den Charakter der Kulturschlachterei zu verlieren.“Menschen wie du und ich“ möchten sie erreichen und einbeziehen und dabei solle es auch bleiben.
Strukturförderung kam zur richtigen Zeit
Die neue Strukturförderung des Landes Schleswig-Holstein für soziokulturelle Einrichtungen brachte dem kleinen Verein 2022 den Rückhalt, den er zum Weitermachen brauchte. Alex, Stephan und Johannes konnten die Mittel nutzen, um ihre eigene Organisationsstruktur zu stärken und den Rücken frei zu haben für Projekte, welche die Kulturschlachterei nachhaltig in Rendsburg verankert. Im vergangenen Jahr stemmte das Team das kostenlose GRÖÖN Sommerfestival im Stadtpark, das auch 2024 vom 8. bis 14. Juli stattfinden wird. Der Verein hat außerdem drei mobile Bollerwagen-Küchen angeschafft, um in der Innenstadt Kochsessions zum Genießen und Klönen anzuregen und auch das After-Work-Picknick soll ein Revival erleben. Die Kulturschlachterei ist zum verlässlichen Ansprechpartner geworden, für städtische Einrichtungen auf der Suche nach kreativen Ideen zur Innenstadtbelebung, für Initiativen, die einen Rat zur Entwicklung ihrer eigenen Organisation oder Veranstaltungsequipment brauchen, für Künstler*innen, die eine Bühne suchen. Für die Zukunft wünschen sich die Initiatoren nun eine verlässliche Förderung aus dem Stadthaushalt, um die anfallenden Basiskosten für Miete, Heizkosten, Gema und Co. längerfristig finanzieren zu können.